Bahnhof in Zernitz, Holzhausener Straße 6

Nüchtern gehaltener Klassizismus

Zunächst sollte die Berlin-Hamburger Eisenbahn über Kyritz als Kreisstadt der Ostprignitz führen – dann wurde die Trasse weiter südlich gebaut. So kam das Dorf Zernitz zu einem Bahnhof an der wichtigen Linie zwischen der Hauptstadt und dem größten deutschen Hafen, der auch den Kyritzern als Eisenbahnstation diente. Mit der Inbetriebnahme der Strecke und des Bahnhofs 1846 erlebte Zernitz einen gewissen Aufschwung, weil sich Geschäftsleute im Umfeld der Station im neuen, westlich vor dem Dorf gelegenen Ortsteil „Bahnhof“ ansiedelten.

Doch seit 1995 halten hier keine Züge mehr. Die Kyritzer mussten schon lange nicht mehr die sechs Kilometer zum Bahnhof Zernitz laufen, weil sie selbst 1887 an die Strecke Neustadt
(Dosse)–Pritzwalk angeschlossen wurden. Und die bis heute für den Personenverkehr betriebenen Stationen Neustadt (Dosse) und Breddin (erst am 1. Mai 1886 für den Personenverkehr eröffnet) sind jeweils nicht weit von Zernitz entfernt – ein weiterer Haltepunkt lohnte aus Sicht der Bahn nicht. Auch der erst am 15. Dezember 1911 in Betrieb genommene Bahnhof Stüdenitz (zwischen Breddin und Zernitz) dient seit 1995 nicht mehr dem Personenverkehr.

Dabei ist das Empfangsgebäude des Bahnhofs Zernitz etwas Besonderes, weil es sich mit seinem kreuzförmigem Grundriss mit Dreiecksgiebeln zu allen vier Seiten von den anderen damals an der Strecke gebauten Stationen unterscheidet. Es ist ein zweigeschossiger, klassizistisch gestalteter Bau mit flachem Satteldach mit vier Achsen und einem Mittelrisalit Richtung Bahngleisen sowie drei Achsen zu den Seiten. Vermutlich in den späten 1880er Jahren wurde der auf der Nordseite der Strecke errichtete Bau um je zwei Achsen verlängert. Als Architekten des Gebäudes werden Friedrich Neuhaus (der Baudirektor der Berlin-Hamburger-Bahn) und Ferdinand Wilhelm Holz genannt. Im Unterschied zu anderen während dieser Zeit an der Strecke erweiterten Bahnhofsgebäuden behielt das in Zernitz sein streng symmetrisches, auf wenige klare Formen beschränktes Äußere. 1857 kaufte die Bahngesellschaft weiteres Land, um im folgenden Jahr südlich der Gleisanlagen einen Güterschuppen zu bauen. Außerdem gibt es neben dem Empfangsgebäude noch ein Toilettenhäuschen. 1990/91 wurde das Empfangsgebäude umfassend saniert und für
wenige Jahre als Wohnraum genutzt, steht aber nun seit vielen Jahren leer.

Text: Sven Bardua