Bahnhof Neustadt (Dosse), Bahnhofstraße

Kleiner Eisenbahnknoten

1846 als Teil der Berlin-Hamburger Eisenbahn eröffnet, wurde der Bahnhof Neustadt (Dosse) ein halbes Jahrhundert später zu einem kleinen Eisenbahnknoten ausgebaut. Denn seit 1887 fahren hier die Züge nach Pritzwalk und Meyenburg ab. 1902 kam die Ruppiner Kreisbahn hinzu, 1904 die Brandenburgische Städtebahn. Letztere teilten sich ein Station nordöstlich des Fernbahnhofs. Außerdem gehörten ein Rangierbahnhof für den Güterverkehr, eine Lokeinsatzstelle mit Schuppen und Drehscheibe und Wassertürme zum Bahnhof Neustadt.

Der Bahnhof Neustadt wurde am 15. Oktober 1846 mit der Strecke von Berlin nach Boizenburg für den regulären Verkehr eröffnet. Am 12. Dezember 1846 nahm die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft ihre Gesamtstrecke nach Hamburg in Betrieb. Das im Büro vom Friedrich Neuhaus, dem technischen Direktor der Bahngesellschaft, entworfene Empfangsgebäude in Neustadt entspricht dem des – etwas größeren – Bahnhofsgebäudes in Friesack. In vornehm-klassizistischen Formen gestaltet, hat es zwei über kleine Treppen erreichbare Eingänge: Der mittlere Eingang führte in die Eingangshalle, aus der die Warteräume und Schalter zu erreichen waren, während sich hinter dem seitlichen Eingang der Zugang zu den Wohnungen im Obergeschoss befand.

Vermutlich wurde der Bau um 1874 um je zwei Achsen auf beiden Seiten erweitert. Zur gleichen Zeit und im selben Stil entstand damals auch das Postamt auf dem westlichen Vorplatz. 1924 zog die Post dort aus und in einen Neubau mit großem Hof auf die andere Straßenseite (Bahnhofstraße 20). Später wurde das Empfangsgebäude noch um einen kleinen Anbau auf der Westseite, dann mit einem Flachbau im Osten erweitert. Im Zuge des großen Bahnhofsumbaus 1999/2000 wurde das Empfangsgebäude saniert und der Vorplatz neugestaltet. Doch knapp 1.000 Quadratmeter Nutzfläche in dem Bau sind seit vielen Jahren ungenutzt.

Die Strecke nach Pritzwalk war am 11. Dezember 1887 über den Westkopf an den Bahnhof angeschlossen worden. Von Nordosten kamen die Züge der Ruppiner Kreisbahn seit dem 1. November 1902 nach Neustadt. Sie teilten sich eine extra Station mit den Zügen der am 25. März 1904 eröffneten Brandenburgischen Städtebahn, die aus dem Süden von Rathenow kommend in einem weiten Bogen über die Fernbahn hinweg den Bahnsteig des Städtebahnhofs erreichten. Das Empfangsgebäude dieser beiden Privatbahngesellschaften entsprach den Ziegelbauten der Städtebahn.

Die beiden Empfangsgebäuden des Bahnhofs Neustadt waren etliche Jahrzehnte über eine Straße mit Bahnübergang verbunden; außerdem gab es als kurzen Weg eine Unterführung für Fußgänger, die auch zum Mittelbahnsteig des Staatsbahnhofs führte. Doch im Januar 2021 wurde der Städtebahnhof zugunsten weiterer Pendlerparkplätze abgerissen. Während die Strecke nach Rathenow im Jahr 2003 stillgelegt und später abgebaut wurde, dient das Gleis nach Neuruppin noch dem Güterverkehr.

Vor allem wegen des einst erheblich gewachsenen Güterverkehrs wurde der Bahnhof Neustadt von 1914 bis 1917 erweitert. Damals entstand östlich der Station zwischen der Fernbahn und der Privatbahnen ein Rangierbahnhof für Waggons vor allem mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Prignitz und Mecklenburg. Sie wurden von Nahgüterzügen nach Neustadt gebracht, daraus dann pro Tag mehrere Durchgangsgüterzüge Richtung Berlin und Mitteldeutschland gebildet. Nun hatte der Personenbahnhof vier Haupt- sowie zwölf Nebengleise, die Anlagen für den Güterverkehr sieben Haupt- und 21 Nebengleise sowie der Städtebahnhof sechs Haupt- sowie fünf Nebengleise.

Ein weiterer Umbau fand 1952/53 östlich vom Bahnhof vor allem aus strategischen Gründen statt. Damit wurde seine Durchlässigkeit für Militärzüge verbessert. Weil damals unter anderem die Strecken Magdeburg–Rostock und Nauen–Wittenberge wegen der Demontage durch die Sowjets nur eingleisig befahrbar waren, wurden die Strecken der ehemaligen Brandenburgischen Städtebahn und der Ruppiner Kreisbahn stärker benutzt. Zwischen dem Abzweig Köritz und dem Bahnhof Barsikow wurden sie über die neue Korea-Kurve (vom Volksmund wegen des damaligen Krieges so genannt) über die Fernbahn hinweg direkt miteinander verbunden. Damit mussten die Züge nicht mehr im Städtebahnhof Kopf machen. Über das nun entstandene Gleisdreieck ließen sich außerdem später die hier eingesetzten längeren Dampflokomotiven der Baureihen 50 und 52 wenden, die in der Lokeinsatzstelle nicht auf die Drehscheibe passten.

Für die Versorgung der Dampflokomotiven baute die preußische Staatsbahn vermutlich um 1880 auf dem westlichen Bahnhofsvorplatz einen Wasserturm. Er wurde etwa 1907/08 um einen gleichartigen Anbau vergrößert. Gut zu erkennen ist dies am älteren Fachwerk im Obergeschoss: Bei der Erweiterung wurde der Turm massiv gemauert. Im Grundriss besteht der etwa zwölf Meter hohe Turm aus zwei nebeneinander gesetzten Achtecken, welche im 2. Obergeschoss zwei zylindrische Hängebodenbehälter aus Stahl mit einem Inhalt von jeweils 75 Kubikmetern aufnehmen.

Die Funktion des alten Wasserturms übernahm 1925 der große Wasserturm weiter östlich an der Köritzer Straße. 2005 kaufte die Steiner + Weiß GbR den alten Turm von der Deutschen Bahn und sanierte ihn grundlegend. Seitdem dient das Obergeschoss als Wohnung und die ehemalige Werkstatt im Erdgeschoss als Bistro.

Text: Sven Bardua