Eisenhüttenwerk in Hohenofen, Neustädter Straße 25

Verarbeiter für Raseneisenstein und Silbererz

Der Ortsname Hohenofen geht auf einen Hochofen zurück, der dort von etwa 1663 bis 1833 als Teil eines kleinen Hüttenwerkes betrieben wurde. Allerdings wurde Raseneisenstein in der Region schon mehr als 1.000 Jahre zuvor verhüttet. So belegen bei Wusterhausen und unter dem Sportplatz der Schule Neustadt (Dosse) gefundene Schlackenstücke, dass hier etwa seit dem 2. bis 4. Jahrhundert in Rennöfen Eisen für Waffen und Gerät verhüttet und in Hammerwerken geschmiedet wurde. Auch in Vierhütten, heute ein Ortsteil von Hohenofen, wurde Raseneisenstein verarbeitet, in der Gegend außerdem ein Schmiedehammer betrieben.

Gerade die frühen Industrien profitierten von ihrer Lage an Flüssen, weil die Wasserkraft für den Antrieb sorgte und das Gewässer als Transportweg diente. In Hohenofen gab es zusätzlich Raseneisenstein in erheblichen Mengen. Derartige Sedimentfraktionen gehen auf eisenhaltiges Wasser zurück, das sich über Jahrtausende unter günstigen Bedingungen im Moor und in Sandböden schicht- oder knollenförmig als dunkelrotbrauner Schlamm anreicherte und im Gegensatz zum klassischen Eisenerz kein Felsgestein ist.

Überliefert ist, dass am Großen Steinbusch und dem angrenzenden Rohrteichgelände nördlich von Hohenofen sowie jenseits der Dosse im Kleinen Steinbusch Raseneisenstein im Tagebau in einer Mächtigkeit von bis zu 1,20 Meter abgegraben wurde. Nutzbarer Raseneisenstein soll außerdem bei der Kanalisierung des Dosselaufs um 1673 gefunden worden sein. Damals wurde die Dosse zwischen Neustadt und dem Bültgraben bei Rübehorst teilweise begradigt.

1662 hatte der Landgraf Friedrich II. Prinz von Hessen-Homburg (1633–1708) das Amt Neustadt mit allen Rechten eines Landesherren gekauft. Und lange bevor er 1689 in Neustadt die bekannte Spiegelmanufaktur gründete, begann er in Hohenofen mit der Eisenverhüttung. Dafür hatte er seinen Amtsverweser, den Rittmeister Liborius Eck, vermutlich noch 1662 nach Vierhütten geschickt, damit er die Verhältnisse erkundet. Vierhütten war eine Gebäudegruppe zwischen Sieversdorf und Neustadt mit vier Bergen aus Eisenschlacke – vermutlich dort, wo heute der Vierhüttenweg verläuft.

1663 begann dann im späteren Hohenofen die Eisenverhüttung in einem Hochofen, der vermutlich auf dem Gelände der Papierfabrik stand. Der Raseneisenstein wurde getrocknet, geröstet und gepocht, also in einem Stampfwerk zerstückelt. Mit Holzkohle vermischt wurde der zerkleinerte Rohstoff dann im Hochofen verhüttet. Dafür wurde Holzkohle aus der weiteren Umgebung herangeschafft sowie auf dem östlichen Dosseufer, gegenüber vom Werk zwischengelagert. Die Holzkohle wurde in Meilern aus Eiche und Buche, manchmal auch aus Kiefern hergestellt. Der Aufwand dafür war enorm: Für eine Tonne Roheisen wurden etwa acht Tonnen Holzkohle beziehungsweise 30 Tonnen Holz benötigt.

Die Wasserkraft der Dosse diente den Hammer- und Pochwerken sowie den Hochofengebläsen als Antrieb. Denn nur mit viel Wind ließen sich im Hochofen die zum Schmelzen erforderlichen Temperaturen erreichen. Dabei entstanden Masseln aus Gusseisen und Schlacke. Um das spröde Eisen in schmiedbares Material mit geringerem Kohlenstoffanteil zu verwandeln, bedurfte es eines weiteren Schmelzvorganges. Die Gusseisenmasseln wurden deshalb nach Berlin transportiert und in einem Kupolofen der Königlichen Eisengießerei umgeschmolzen. Ein Teil davon dürfte spätestens ab 1673 auch in Hohenofen zu hochwertigerem Schmiedeeisen veredelt worden sein: Denn für das Jahr ist der Neubau eines Eisenwerkes am Standort des Eisenhammers belegt. Damals ging eine neue Wasserkraftanlage an dem unter anderem dafür verlegten Dosselauf in Betrieb.

Mehrfach wurden archäologische Zeugnisse der Eisenverhüttung gesichert, unter anderem von Manfred Teske, der sich damit intensiv befasst hat. So wurden bei Abrissarbeiten am Wasser-Durchfluss an der Straße neben der Papierfabrik Klumpen aus Schlacke, teilweise mit Holzkohlenresten durchsetzt, sowie Fließschlacke gefunden. Weitere Einblicke in die Hüttenwerksgeschichte gelangen während des Neubaus der Neustädter Straße in Hohenofen im Jahre 2000/01. Auch hier fand sich vor dem Fabrikgelände Eisenschlacke, die einst für die Befestigung des Straßendamms verwendet wurde. Geborgen wurden außerdem zwei Sorten Masseln aus Gusseisen: schüsselförmig, jeweils mit etwa 25 Zentimeter Durchmesser und etwa zehn Kilogramm schwer. Weitere Masselteile wurden 2003 auf dem Waldweg nach Sieversdorf (Alte Chaussee) geborgen. Das flüssige Eisen für die Masseln war vermutlich in eine mit Sand ausgekleidete Form aus Gusseisen oder Ton gefüllt worden. Die Fundstücke weisen nach Ansicht von Manfred Teske darauf hin, dass auch während der späteren Silberverhüttung ab 1702 gelegentlich noch Eisen verhüttet wurde.

Als der Raseneisenstein um 1700 knapp wurde, beschloss der brandenburgische Kurfürst Friedrich III., der spätere König Friedrich I., dem das Hüttenwerk und Hohenofen seit 1694 gehörten, es für die Verhüttung von Silber zu nutzen. Dafür wurde das Werk laut Vertrag vom 12. April 1700 an die „Magdeburger Gewerkschaft“, eine Interessengemeinschaft von Eigentümern im Bergbau, verpachtet. Schon vorher wurde es auch Seigerhütte genannt; mit seigern (altmodisch: saigern) wird das Entmischen einer Schmelze bei der Metallherstellung bezeichnet. Die Erze für die Hütte kamen aus den Silbergruben von Rothenburg an der Saale mit Lastschiffen über die Elbe und Havel. Das erschmolzene Silber wurde, ähnlich wie das Roheisen, in wagenradförmige Barren gegossen und per Schiff zur Münze nach Berlin geschafft. Glasharte braune, schwarze, graue oder hellblaue Bruchstücke von Silberschlacke finden sich noch heute in den umliegenden Dörfern in der Wegebefestigung und sind auf dem Gelände der Papierfabrik in mehreren Metern Mächtigkeit zu finden.

Schließlich soll sich die Silberverhüttung nicht mehr gelohnt haben, wobei der damalige Verkauf der Silbererzgruben in Rothenburg eine Rolle gespielt haben dürfte. Am 8. November 1829 informierte das Königliche Oberbergamt das Hüttenamt in Hohenofen: „Es ist nunmehr beschlossen, daß das dortige Saigerhüttenwerk nach Aufarbeitung der Bestände nicht länger mehr für königliche Rechnung betrieben werden soll.“ 1833 wurde der Betrieb der Seigerhütte in Hohenofen deshalb eingestellt und das Werk 1834 an die Berliner Seehandlung verkauft. Damals versank der Ort mit seinen 500 Einwohnern in Armut und sah einer unsicheren Zukunft entgegen, ehe 1838 die Papierfabrik in Betrieb genommen wurde.

Sven Bardua

Im Vergleich zu den Eisenschmelzöfen der vor mehr als 2.000 Jahren lebenden Kelten war das Hüttenwerk in Hohenofen hochmodern; in diesem Film aber wird die grundsätzliche Technik gut dargestellt. Film aus dem Fernseharchiv des Bayerischen Rundfunks