Für die Chaussee Zernitz–Voigtsbrügge
Autofahrer nehmen sie kaum wahr, dabei lohnt ein Aussteigen: Auf halber Strecke zwischen Lohm und Zernitz überspannt eine alte Steinbrücke die Neue Jäglitz. Ihre zwei gemauerten, etwa 8,80 Meter breiten Gewölbe stammen von 1884. Der wuchtige Pfeiler in der Mitte ist etwa 1,20 Meter mächtig. Die roten Ziegel stammen von der Ziegelei Max Füllner aus Toppel bei Havelberg. Die Herkunft der gelben Ziegel ist unbekannt. Die Steine für das Feldsteinmauerwerk stammen vermutlich aus der Endmoräne zwischen Zernitz und Schönermark, wo sie einst bei Bedarf abgesammelt wurden. Und unter dem Asphalt befindet sich noch das Kleinsteinpflaster der Chaussee auf einer Kiesschüttung.
Denn die Neue Jäglitz-Brücke nahe der Ansiedlung Krüllenkempe im Zuge der heutigen Landesstraße L 14 ist Teil einer damals errichteten Kreischaussee. 1875 hatte der Kreis Ostprignitz ein Chausseebauprogramm beschlossen, dessen letzter Teil mit fünf Straßen am 5. November 1880 von der Kreisversammlung bewilligt wurde. Dazu gehörte eine 10.402 Meter lange Chaussee vom Bahnhof Zernitz bis Voigtsbrügge an der Kreisgrenze Richtung Havelberg. Denn der 1846 an der Berlin-Hamburger Eisenbahn eingeweihte Bahnhof Zernitz hatte für die Region eine große Bedeutung. Die weiter westlich gelegene Station Breddin wurde dagegen erst 1886 eröffnet.
Im Mai 1881 waren die Vermessung und andere Vorarbeiten abgeschlossen. Vielfach wurden für den Chausseebau damals vorhandene Straßen- und Wegetrassen genutzt – zwischen Lohm und Zernitz entschied man sich jedoch für eine ganze neue Direktverbindung. Wegen der Niederung musste der letzte Abschnitt von Krüllenkempe bis Zernitz allerdings wegen der zu durchquerenden Flussniederung komplett errichtet werden. Hier wurde ein Damm aufgeschüttet und die Neue Jäglitz mit der Brücke gequert. 1883 war mit dem Chausseebau an der Kreisgrenze in Voigtsbrügge begonnen worden, im Sommer 1885 wurde er am Bahnhof Zernitz abgeschlossen.
Die gesamte Strecke einschließlich der Brücke und zweier Chausseeeinnehmerhäuser in Voigtsbrügge und Zernitz kostete dann 256.525 Mark, wobei der preußische Staat, freiwillige Leistungen und eine unentgeltlichen Abtretung des Terrains diese Ausgabe um etwa 50.000 Mark verringerten. Allerdings mussten viele Nutzer der neuen Straße an den Hebestelle in Zernitz und Voigtsbrügge Chausseegelder entrichten. So zahlten Fuhrwerke für eine Meile (7,5 Kilometer) zehn Pfennig, angespannte Pferde je drei Pfennig. Die Armee, viele Beamte und die Feuerwehr waren befreit; für Anwohner galten Sonderregelungen.
Eine ähnliche Brücke wie in Zernitz gab es auch über der Jäglitz in Kyritz, allerdings hatte letztere drei Gewölbebögen mit geringerer Spannweite. Die Jäglitz-Brücke in der Graf-von-der-Schulenburg-Straße in Kyritz stammt von 1883, war also etwas älter als die in Zernitz. Und sie wurde 2013 abgebrochen und durch einen Neubau aus Stahlbeton ersetzt.
Sven Bardua